Ausgangssituation

Problemstellung

Hochmoore sind als nährstoffarme Standorte prägend für den Nordwestdeutschen Raum gewesen. Durch umfangreiche Kultivierungs- und Abtorfungsmaßnahmen gibt es keine großen ungestörten Hochmoore mehr. Nach Abtorfungen folgten früher landwirtschaftliche Folgenutzungen und nach Verabschiedung des Niedersächsischen Moorschutzprogrammes 1981 sind die Fläche als naturnahe Flächen herzurichten, mit dem Ziel einer Hochmoorregeneration.

Mitte der 1980er Jahre gab es keine Erfahrung mit dem Umgang teilabgetorfter Flächen, wenn nur stark zersetzte Torfe (Schwarztorfe) zurück geblieben sind. Auf Initiative von Herrn Nick, Landkreis Emsland, wurde 1983 mit Herrichtungsmaßnahmen einer teilabgetorften Fläche mit Schwarztorfresten im Rahmen eines vom Bund und Land geförderten E+E-Vorhaben des BfN „Wiedervernässung abgebauter Schwarztorfflächen im Leegmoor / Kreis Emsland“ begonnen (Leegmoor 80901001). Die Trägerschaft des Gesamtprojektes lag beim Landkreis Emsland. Während der wissenschaftlichen Begleituntersuchungen sollten technische Maßnahmen zur Abdichtung von Gräben geprüft werden. Verwallungen wurden errichtet und Oberflächenbearbeitungen zur Verbesserung der Wasserspeicherung wurden getestet. Einen wesentlichen Teil nahm die Initiierung von Vegetationsentwicklungen durch das Ausbringen von Samen, z.B. Wollgras, auf der gesamten Fläche ein. In über 70 Dauerquadraten wurde hochmoortypische Vegetation als Plaggen, Pflanzen oder Samen ausgebracht. Die Entwicklung der Sukzession nach begonnener Wiedervernässung konnte so dokumentiert werden. Die Auswirkungen auf die hochmoortypische Fauna mit dem Schwerpunkt der Laufkäfer konnten gemessen und analysiert werden. Meteorologische Untersuchungen lieferten die Basisdaten zur Vernässbarkeit der Flächen nur aus dem Niederschlag. Die bodentypologische Ausstattung wurde erfasst. Es mussten auch die Nährstoffeinträge und Umsetzungen in den Torfen und deren Auswirkungen auf das Moorwasser analysiert werden.

Erkenntnisstand zum Projektgebiet

Das Leegmoor steht seit 1983 unter Naturschutz. Der Umgrenzung der Fläche ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1:   Amtliche Verordnungskarte zum Naturschutzgebiet „Leegmoor“ (NSG WE 136) (https://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutz/schutzgebiete/einzelnen_naturschutzgebiete/40897.html, Aufruf 11.6.18)

 

Im Steckbrief (Tab. 1) sind die Gebietsdaten aufgelistet.

Tab. 1:    Steckbrief des NSG Leegmoor WE 136

 

 

(1) Das Naturschutzgebiet „Leegmoor“ umfasst einen Ausschnitt des Hochmoorkomplexes zwischen Papenburg und Oldenburg und weist überwiegend wiedervernässte Schwarztorfflächen sowie im südlichen Bereich (Timpemoor) Hochmoorgrünland und Hochmoorheide auf.

Eingebunden ist auch das im Rahmen des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Wiedervernässung abgebauter Schwarztorfflächen im Leegmoor“ bekannte Gebiet.

(2) Allgemeiner Schutzzweck für das NSG „Leegmoor“ ist die Erhaltung, Pflege und naturnahe Entwicklung als Lebensstätte schutzbedürftiger Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensgemeinschaften sowie als Landschaft von besonderer Eigenart, Vielfalt und Schönheit.

 (3) Die Erklärung zum NSG bezweckt die Erhaltung und Förderung insbesondere

  1. hochmoortypischer Standortfaktoren,
  2. oberflächennaher Wasserstände durch Wiedervernässung,
  3. von Hochmoorgrünland und
  4. von hochmoortypischen Vegetationskomplexen.

 Das Gebiet des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Wiedervernässung abgebauter Schwarztorfflächen im Leegmoor“ befindet sich an der westlichen Grenze des Naturschutzgebietes (Abb. 2).

Abb. 2:   Gebiet des E+E-Vorhabens Leegmoor. Die westliche Randfläche wurde ein Jahr später renaturiert, ist aber nicht in die Untersuchungen einbezogen worden (Nick et al. 2001)

 

Im Leegmoor wurden durch die Staatliche Moorverwaltung die östlich angrenzenden Flächen zur Wiedervernässung hergerichtet. Eingebaute Überläufe führen überschüssiges Wasser ab. Als Pflegemaßnahmen wurden auf Teilflächen Mulchmaßnahmen durchgeführt. Zuletzt auf der Erprobungsfläche im südlichen Teil im Frühjahr 2018. Die Flächen wurden nach Ende der wissenschaftlichen Untersuchungen durch die Staatliche Moorverwaltung gepflegt. Die bisher durchgeführten Maßnahmen sind im Rahmen der Untersuchungen zu dokumentieren. Eine Beweidung dieser Flächen hat nicht stattgefunden, da die Flächen überwiegend sehr nass sind.

Beschreibung des Vorhabens

Im der Rahmen dieser wissenschaftlichen Nachuntersuchung sind die Auswirkungen der unterschiedlichen Maßnahmen, wie Ansaat von Wollgras, Ausbringen von hochmoortypischen Pflanzen, Wiedervernässung mit zeitweiligem Flächenüberstau auf Fauna und Flora sowie Nährstoffdynamik und bodentypologische Ausstattung zu untersuchen.

Zielsetzung des Vorhabens

Die Entwicklung der Flächen mit der in 1984 gestarteten Herrichtung der Flächen mit anschließender Wiedervernässung soll erfasst und im Hinblick auf die mögliche weitere Entwicklung bewertet werden. Es besteht die einmalige Gelegenheit, auf Daten von im Rahmen der wiss. Begleitung des E+E-Vorhabens (und z.T. später noch, siehe z.B. Nick 2007) intensiv untersuchte Dauerflächen zurückgreifen zu können.

Auch hat sich seit der Publikation des Abschlussberichtes (Nick 2001) der Kenntnisstand zu vielen Aspekten verbessert. Mit dem zunehmend deutlicher erkennbaren Klimawandel sind die klimarelevanten Effekte der Hochmoorregeneration zunehmend in den Fokus gerückt. Aktuelle Arbeiten wie die von Zajac et al. (2018) zeigen, dass für die Wiederbesiedlung abgetorfter Flächen mit Sphagnum-Arten, Eriophorum vaginatum und anderen Hochmoorarten nicht an bestimmten Einzelfaktoren festgemacht werden kann, auch wenn der Wasserstand immer wieder als wichtigster Faktor erkennbar ist.

Umso wertvoller sind Daten über lange Zeiträume.

Die Zielsetzungen beziehen sich zunächst auf die Beantwortung konkreter gebietsbezogener Fragen:

  • Welche Vernässungsmaßnahmen und welches Ausbringen von hochmoortypischen Pflanzen waren erfolgreich?
  • Konnten sich Hochmoortorf bildende Sphagnum–Arten unter den heutigen Luftbelastungen wieder erfolgreich ansiedeln und das für eine ausreichende Torfbildung notwendige Wachstum entwickeln?
  • Wie hat sich die Vegetation in den verfüllten Grabenabschnitten entwickelt?
  • Gibt es Veränderungen bei der hochmoortypischen Fauna (Laufkäfer, Spinnen)?
  • Wirken sich die Vernässungsmaßnahmen auf das Lokalklima des Leegmoores aus?
  • Wie entwickelten sich die Wasserstände in der Fläche und in den Messstellen?
  • Veränderte sich die Nährstoffsituation im Wasser des Kolks und im Grabenabfluss?
  • Wie haben sich die Böden verändert?
  • Kommt es zur Anreicherung von Stickstoff als Ammonium oder Nitrat in den vernässten Bereichen?
  • Bleiben die Unterschiede im Nitratgehalt zwischen den beiden Standorten mit Molinia caerulea und Eriophorum vaginatum Standorten bestehen?
  • Konnten sich die Probesaaten von Eriophorum vaginatum gegenüber Molinia caerulea behaupten?
  • Welchen Einfluss hat die Entwicklung der Leegmoorflächen auf das Klima?

 

Darüber hinaus sollen auch umfassendere offene Fragen aus dem E+E Vorhaben bearbeitet werden:

  • Reichen die heutigen Bedingungen (Klimawandel) für eine Hochmoorentwicklung aus? Welche Rolle spielt der Grundwasseranschluss heute?
  • Können sich Hochmoortorf bildende Sphagnum–Arten unter den heutigen Luftbelastungen wieder erfolgreich ansiedeln und das für eine ausreichende Torfbildung notwendige Wachstum entwickeln?
  • Durch welche Faktoren wird die Etablierung und Ausbreitung der Sphagnum–Arten auf Wiedervernässungsflächen positiv oder negativ beeinflusst (Deposition von Schadstoffen bzw. Nährstoffen auf dem Luftpfad bzw. Qualität des Niederschlagswassers etc.)?
  • Bei welchen dauernden Wasserständen überleben die Pflanzenarten des Hochmoores?
  • Welche Sukzessionsabfolgen in der Hochmoorentwicklung sind auf Renaturierungsflächen unter den heutigen Bedingungen zu erwarten?
  • Inwieweit können sich Hochmoore in der Umgebung intensiver landwirtschaftlicher Nutzungen mit hohen Nährstoffeinträgen über Niederschlag im Boden überhaupt noch entwickeln?
  • Sind ombrotrophe Arten wie Wollgras noch konkurrenzfähig? Wie würde eine Sukzessionsfolge im Zeitalter der intensiven Landwirtschaft aussehen?
  • Ist ein Polleneintrag/Einwanderung über intakte Hochmoore erfolgt?
  • Wie sind die hydraulischen Anforderungen an die Durchlässigkeit der Resttorfe?
  • Die besten Entwicklungen waren im E+E-Vorhaben zu beobachten, wo das Wasser in Zeiten des höchsten Einstaus ca. 10-30 cm über der Oberfläche steht, im Sommer erfolgte durch die Verdunstung eine moderate Absenkung des Wasserstandes. Kann bestätigt werden, dass diese Vorgehensweise sinnvoll die Regeneration fördert?
  • Kann das grundsätzliche Entwicklungsziel der Hochmoorregeneration mit einer offenen Hochmoorfläche beibehalten werden?
  • Soll die Sukzession im Sinne des Prozessschutzes zugelassen werden?
  • Unter welchen Bedingungen ist eine Entwicklung zum bruchwaldartigen Birkenwald zu erwarten?
  • Welche Synergien bzw. Konflikte sind bei diesen Szenarien zwischen Klima- und Naturschutz zu erwarten.

Aus den Ergebnissen der wissenschaftlichen Nachuntersuchungen sind Handlungsempfehlungen, die von bundesweitem Interesse sind, zu erarbeiten.

Untersuchungsgebiet

Die eigentliche Erprobungsfläche (Projektfläche) ist in NNW-SSO-Richtung ca. 1.600 m lang und ca. 170 m breit (27,2 ha, Abb. 2). Bei einer Begehung der Flächen im März 2018 konnten die Moorwasser-Messstellen und die meisten der Dauerflächen der Vegetationsuntersuchungen gefunden werden. Die Grundwassermessstelle GBII war nicht zu finden.

Der Zustand der Moorwasser-Messstellen ist in Abb. 4 zu sehen.

Abb. 4:   Moorwasser-Messstelle

 

Der damals angelegte Hochmoorkolk ist in seiner Ausdehnung weiterhin vorhanden (Abb. 5). Durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie werden hier die Wasserstände mittels Datalogger erfasst, wie auch in der benachbarten Moorwasser-Messstelle.

Abb. 5:   Hochmoorkolk mit Steg, Lattenpegel und Datalogger

 

Geplante Untersuchungen

Der Antrag beinhaltet die wissenschaftliche Begleitung.

Die Untersuchungen sind so geplant, dass die Vergleichbarkeit mit den bis 1996 ermittelten Daten im Bereich der klimatologischen, hydrologischen, pedogenen, botanischen und faunistischen Erhebungen gewährleistet sind. Es werden aber nur solche Daten erhoben, bei denen eine Veränderung denkbar ist bzw. wo die Voraussetzungen noch gegeben sind. So lassen sich z.B. Abflussmessungen aufgrund des mehrfach angehobenen Messwehres und der damit veränderten Zuordnung der Flächen nicht mehr durchführen. Mit den geplanten Bodenwasserhaushaltsmodellen ist die Berechnung der Abflüsse aus dem Gebiet möglich. Zur Kalibrierung dienen die zu messenden Moorwasserstände.

Vernässungssituation bis heute, aktueller Moorwasser- und Grundwasserstand, Klimaeffekte

Alle verfügbaren Daten zu den Wasserständen in den Flächen und den eingestellten Grabenwasserstände werden recherchiert und mit den bisherigen Ergebnissen verknüpft. Die Daten werden mit Witterungsdaten ergänzt.

Für den Zeitraum eines Jahres werden die Moorwasserstände in den Flächen über Datalogger gemessen. Der Zeitraum wird am hydrologischen Jahr ausgerichtet (Winterhalbjahr 1.Nov. bis 30. April, Sommerhalbjahr 1. Mai bis 31. Okt.), wobei ein Beginn der Messungen auch zum Sommerhalbjahr möglich ist. Die Messpunkte orientieren sich an den bis zuletzt 1996 berücksichtigten Pegeln. Der aktuelle Zustand der Messstellen wird erfasst, die Rohroberkanten werden neu eingemessen.

Aus dem Kolk, dem nördlichen Teil und aus dem mittleren Graben werden Wasserproben quartalsweise entnommen und auf Ammonium, Nitrat, Sulfat und Phosphat untersucht.

Mit Hilfe des Bodenwasserhaushaltsmodells SWAP werden die Wasserstände modelliert. Mit der Vorgängerversion SWATRE wurden bereits Berechnungen im Leegmoor durchgeführt (Spieksma 1996).

Das kalibrierte Modell eignet sich zur Abschätzung der Dichtwirkung der Resttorfe und der Veränderung der Wasserspeicherung durch die auf Teilflächen neu aufgewachsenen Torfe.

Aufbauend auf den Treibhausgasmessungen von Höper (2015) wird ergänzend zu den Auswertungen von (Bleisinger 2012) eine Neubewertung der gesamten Fläche (NSG Leegmoor) vorgenommen. Die bereits durchgeführten Messungen von (Höper 2015) verdeutlichen eindrucksvoll die bisherige Emission von Treibhausgasen und bilden die Grunddaten der Neubewertung. Die Bilanzen der Treibhausgasfreisetzungen für das Leegmoor lagen zwischen -1,1 bis 3,9 t CO2-Äquivalente/ha/a. Ausgehend von der Projektfläche lassen sich hiermit die Umsetzungen der Ergebnisse der Projektfläche auf das gesamte NSG Leegmoor ableiten und der Erfolg der Maßnahme aus klimatischer Sicht bewerten.